Sofortprogramm
Aufruf an Mannheimer Gemeinderat und Verwaltung
Sofortprogramm & Task Force Radverkehr
Mannheim muss sich bis 2030 zu einer Fahrradstadt entwickeln, in welcher der Anteil des
Radverkehrs über dem des Autoverkehrs liegt!
Die Zeit drängt. Das Tempo in der Verfolgung klima- und verkehrspolitischer Ziele muss erhöht werden.
Dies betrifft insbesondere den Mannheimer Radverkehr. Die von der Stadt vorgesehenen Maßnahmen sind vollkommen unzureichend und für die Verkehrswende von geringer Relevanz. Ohne ein Netz an durchgängig, zügig und sicher befahrbaren Radrouten kann das gesteckte Ziel, den Anteil des Radverkehrs im Modal Split zu erhöhen und die Wegekilometer bis 2030 zu verdoppeln, nicht erreicht werden! Durch die mit der Entwicklung des Masterplans Mobilität 2035 vorgesehene lange Zeitachse wird dem Gemeinderat erst 2024 ein Verkehrsentwicklungsplan vorliegen, der dann jedoch noch mit konkreten Maßnahmen angereichert werden muss. Daher fordern wir ein Sofortprogramm Radverkehrsnetz sowie eine Task Force, welche die Grundlagen zur schnellen Umsetzung schafft.
01.
Die SrV-Daten von 2018 sowie die derzeit verfügbaren Verkehrszählungsdaten genügen nicht, um die planerischen Grundlagen zur Verdoppelung des Radverkehrsaufkommens zu schaffen. Auf die nächste SrV-Erhebung 2023 kann nicht gewartet werden, zumal die damit verfügbaren Indikatoren den Anforderungen der Netzplanung nicht genügen würden. Daher müssen kurzfristig neue Daten generiert und Analysen in Auftrag gegeben werden, um zusätzlich auch die klein- und großräumigen Quell-Ziel-Relationen im Mobilitätsverhalten zu identifizieren. Hierbei sind zum einen die bisher genutzten Wegebeziehungen und zum anderen die gewünschten Relationen anhand einer Nachfragematrix zu ermitteln.
02.
Der Mannheimer Radverkehr braucht gut ausgebaute Hauptrouten, die ein sicheres und zügiges Fahren ohne Umwege erlauben. Notwendig sind Verbindungen, die näherungsweise Radschnellweg- Standards aufweisen. Hauptrouten müssen mit Nebenrouten verzahnt und zeitnah geplant und umgesetzt werden. Eine Radverkehrsinfrastruktur, die kurze Wege zwischen Start- und Zielpunkt bietet, sollte einem Spinnennetz ähneln und aus den folgenden Komponenten bestehen:
- Radiale Verbindungen von allen Vororten in Richtung Innenstadt,
- Tangentiale Strecken, welche die Vororte und damit auch Wohngebiete, Arbeitsplätze, Bildungs-, Einkaufs-, Freizeit- und Sportstätten verbinden,
- Radspuren, die Autofahrspuren ersetzen (siehe auch Punkt 5) und
- neue Radrouten, die sich nicht am vorhandenen Straßennetz orientieren, sondern kurze und attraktive Strecken abseits vom Autoverkehr bieten.
03.
Auf dem Weg zu diesem Radverkehrsnetz müssen auf Basis der o.g. Analysen bis 2022 (zunächst überschlägig) idealtypische Knotenpunkte identifiziert und vorläufige Hauptroutenlinien entworfen werden. Diese Hauptachsen sollen zur besseren Verständlichkeit und Übersichtlichkeit systematisch gekennzeichnet (Radial: R1, R2, R3 usw.; Tangential: T1, T2, T3 usw.) und in eine Rangfolgenliste eingeordnet werden.
04.
Der Planung und Umsetzung der Routen sind die 5 Hauptanforderungen für gute und sichere Radverkehrsnetze (DStGB/ADFC) zugrunde zu legen: Sicherheit, Kohärenz, Direktheit, Komfort und Attraktivität.
05.
Zentrale Bestandteile dieses Netzes sind die bereits geplanten Radschnellwegverbindungen (RSV) zwischen Mannheim und Weinheim bzw. Heidelberg. Weitere RSV in Richtung Süden (über Brühl, Ketsch und Schwetzingen) sowie nach Westen (über Ludwigshafen) und nach Norden (Richtung Bürstadt/Worms) müssen jetzt unmittelbar folgen, weshalb noch in diesem Jahr diesbezügliche Machbarkeitsstudien zu vergeben sind.
06.
Da die Zeit drängt, sind bis zur endgültigen Streckenbestimmung und baulichen Umsetzung derHauptrouten rasch realisierbare Lösungen (ggf. provisorische Zwischenlösungen) anzustreben.
Dies erfordert kostengünstige und mit einfachen Mitteln zu gestaltende Pop-Up-Bikelanes oder Protected Bikelanes, die Autospuren und Parkstreifen durch baulich abgesicherte Radfahrstreifen ersetzen. Bewegliche Trennelemente und Markierungen besitzen eine hohe Flexibilität, eignen sich für Erprobungen, können den Bedarfen angepasst und u.U. versetzt werden. Auf dieser Basis wird in der Verwaltung eine „Task Force Bike Lanes“ gebildet, die parallel zur Entwicklung der Hauptachsen des Radverkehrsnetzes (s. Punkt 3) sämtliche Realisierungsoptionen ermittelt.
07.
Alle Ressourcen zur Finanzierung müssen bis Ende 2021 durch eine „Task Force Finanzierung“ eruiert und vorbereitet werden. Hierzu sind alle Förderprogramme von Bund und Land auszuschöpfen, weshalb die Stadt auf Basis der o.g. Sofortplanungen rechtzeitig Finanzmittel u.a. aus dem von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Radverkehrsplan und aus dem von der Landesregierung neu aufgelegten RSV-Programm akquiriert.
08.
Die im Rahmen der Entwicklung des Masterplans Mobilität 2035 vorgesehene Evaluierung des 21-Punkte-Programms wird vorgezogen und dem Gemeinderat zeitnah vorgelegt. Gleichzeitig müssen auch alle derzeit geplanten Maßnahmen (Fahrradstraßen, sog. Lückenschlüsse usw.) auf ihre System- bzw. Netzrelevanz und daraufhin geprüft werden, inwieweit sie überhaupt geeignet sind, das Radverkehrsaufkommen in gesamtstädtischer Perspektive zu erhöhen. Diese Prüfung wird durch die genannten Analysen gestärkt. Die Umsetzung der bislang geplanten Maßnahmen wird dadurch nicht in Frage gestellt, lediglich der Zeitplan und die Priorität.
09.
Zusätzlich ist zur Schaffung von Kostentransparenz und Klarheit in der künftigen Planung durch ein extern vergebenes Gutachten zu dokumentieren, welche durchschnittlichen Kosten in Mannheim 1 Kilometer (innerörtlich angelegter) Radweg verursacht, wobei nach verschiedenen Ausführungsvarianten zu differenzieren ist (Fahrradstraßen, baulich getrennte Radwege, fahrbahnbegleitende und geschützte Radfahrstreifen). Gleichzeitig sollten alle im bisherigen Radverkehrsprogramm gelisteten Maßnahmen dahingehend überprüft werden, in welchem Umfang die veranschlagten Kosten tatsächlich Maßnahmen für den Radverkehr betreffen bzw. welche Summen eine Querfinanzierung anderer Titel enthalten.
10.
Die zuvor genannten Punkte des Sofortprogramms sind dringlich und werden sofort und unabhängig von der weiteren Entwicklung des Masterplans Mobilität durchgeführt. Sie fließen allerdings mit in den Verkehrsentwicklungsplan ein.
11.
Das Konzept für ein Radverkehrsnetz soll in engem Austausch mit den radverkehrspolitischen Verbänden und Initiativen bis Mitte 2022 entwickelt und dann unter Beteiligung der Öffentlichkeit ergänzt und justiert werden. Zusätzlich werden externe Verkehrsplaner*innen engagiert, die den Verbänden und Initiativen beratend und verwaltungsunabhängig zur Seite stehen.
Bündnis Fahrradstadt Mannheim
Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Mannheim // Verkehrsclub Deutschland (VCD), Regionalverband Rhein-Neckar // Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Mannheim // Kidical Mass Mannheim // QuadRadEntscheid Mannheim // XR, Extinction Rebellion // LaMa, Lastenvelo Mannheim e.V. // Fridays for Future, Mannheim // Greenpeace, Mannheim-Heidelberg // Ökostadt Rhein-Neckar e.V. // Verkehrsforum Neckarau // Lokale Agenda 21 Mannheim-Neckarau // Die GRÜNEN/Bündnis 90, Kreisverband Mannheim // Arbeitskreis Radverkehr der GRÜNEN Mannheim // AK Verkehr der LINKEN, Mannheim // und viele Einzelpersonen
Kontakt: info@fahrradstadt-mannheim.de